Wie können wir in Krisenzeiten auf Medien vertrauen

Plötzlich ist Krieg.

Das ist etwas, das ich – und wahrscheinlich wir alle – in der letzten Woche oft gehört haben.
Es ist auch etwas, das ich gesagt und gefühlt habe.

​Und irgendwie war ich über meine eigene Überraschung überrascht.
Als wäre es wirklich “plötzlich” gekommen.

Für mich ist es kein neuer Konflikt, sondern die Neuauflage und Wiederholung vieler Schichten ungeheilter Wunden, Traumata und Verletzungen – zwischen Russland und der Ukraine, aber auch in der gesamten europäischen Region und auch in der Welt.

​Krieg ist eine ständige Realität in unserer Welt.

In vielen anderen Ländern toben blutige Konflikte, einige von ihnen dauern schon seit vielen Jahren.

Was sich jetzt geändert hat, ist, dass der Krieg uns im Westen näher gekommen ist.
Was sich geändert hat, ist, dass wir uns schwerer emotional distanzieren können und unsere Überraschung unsere Gefühllosigkeit offenlegt.

​Das ist etwas was oft in einer Krise passiert.

​Die “Krise” scheint aus dem Nichts zu kommen, als wäre etwas “plötzlich” passiert.

Ich glaube, dass das sehr selten wirklich der Fall ist.

​Eine Krise offenbart, dass wir aufgehört haben, notwendige Veränderungen zu erlauben, und Bedürfnisse von Mitgefühl, Schutz, Heilung etc… nicht mehr Gehör finden.

​Wenn eine Katastrophe eintritt, suchen wir nach Orientierung und versuchen herauszufinden, was zu tun ist. Genau das habe ich in verschiedenen Formen in den letzten Wochen von vielen Menschen gehört.

​Was kann ich tun?
Was soll ich tun?
Was sollen wir tun?
Es muss doch etwas zu tun geben!

​Ich habe keine Antworten, aber ich kann dir sagen, wie ich die Sache sehe.

​Für mich gibt es zwei Schritte.

​Erstens: Wenn es etwas gibt, das du ganz praktisch tun kannst, im betroffenen Gebiet, mit den betroffenen Menschen, den Flüchtlingen, mit Politikern, humanitären Organisationen oder was auch immer…tu es! Ganz einfach.

​Wenn du dich nicht in einer Situation befindest, die dir einen klaren Impuls gibt, etwas zu tun, dann stürze dich nicht ohne einen Plan in die Aktion.
Panik ist nie ein guter Ratgeber.
Kümmere dich um dich selbst und um deine unmittelbare Umgebung – Familie, Freunde, deine Gemeinschaft.

​Das ist kein Ausdruck von Gleichgültigkeit, sondern eine Würdigung deiner Lebenssituation, wie sie gerade jetzt ist.
Wenn sich daraus Impulse ergeben, Situationen und Gelegenheiten auftauchen, toll.
Dann mach das!

​Die andere wichtige Frage, die immer wieder auftaucht, ist jene nach dem Umgang mit den Nachrichten und Medien.

​Ich habe in meinem Social-Media-Feed schnell zwei unterschiedliche Reaktionen beobachtet, und die waren auch in mir präsent.

​Die eine ist, dass unsere Aufmerksamkeit von der Angst vereinnahmt wird, und das bedeutet, dass unser Überlebensinstinkt sichergehen will, dass wir wissen, wo die Gefahr ist – was dazu führt, dass wir süchtig nach der ständigen Flut von Nachrichten werden.

​Der andere Versuch, den ich beobachte, ist eine Gegenbewegung. Die Menschen stellen fest, dass sie von den Nachrichten abhängig werden, und um „frei“ zu bleiben, distanzieren sie sich komplett von den Medien.

​Ich persönlich glaube nicht, dass man die Antwort in dieser Polarität finden kann.

​Es hängt vielmehr davon ab, wo du dich in deinem Leben gerade befindest.

Die Frage ist nicht, was man mit den Nachrichten macht, sondern was man mit seinem Leben, mit seiner Aufmerksamkeit und seiner Zeit macht.

​Die Medien leben von unserer Aufmerksamkeit, das wird sich nie ändern. Wie ich allerdings mit den Nachrichten umgehe, hängt von meinen Entscheidungen in meinem Leben ab.

​Abhängig von deinem Lebensziel kannst du entscheiden und dich danach richten, was du brauchst, um diesem Ziel am besten zu dienen.

​Wenn du dich in der Region oder in dem Konflikt engagierst, musst du informiert sein. Wenn dein Ziel im Moment darin besteht, dich um deine Familie zu kümmern, wird das zu einem ganz anderen Ansatz führen.
Es gibt keine klare Formel, sondern es hängt davon ab, wie du dein Leben führst.

​Wenn du dein Ziel nicht kennst oder nicht weißt, worauf du dich im Leben ausrichtest, dann kann es sehr leicht sein, dass du von den Strömen der Angst und der Emotionen mitgerissen wirst, die ständig von den Medien ausgelöst werden.

​Können wir informiert bleiben, ohne überfordert zu sein?
Wenn du von den Nachrichten überwältigt wirst, ist es am besten, wenn du eine Pause einlegst und wieder zu dir selbst und deinem Grounding zurückkommst.
Können wir die Zeit in der wir uns über die News informieren gezielt einsetzen, ohne emotional abgestumpft und gleichgültig zu werden?
Im Moment spielt sich eine humanitäre Tragödie ab, und es ist total angemessen, emotional, traurig, wütend usw. zu werden.

​Können wir der Situation gegenüber präsent bleiben? Hinschauen, nicht wegschauen, nicht absorbiert oder distanziert sein.
Vielleicht gelingt uns das nur für kurze Momente, aber diese Momente sind kostbar und entfalten echte Wirkung.

​Es gibt gerade jetzt viele Situationen in der Welt, die es erfordern, dass wir mit offenen Augen und Herzen hinschauen.
Das ist anspruchsvoll, aber möglich.

​Das Schwierigste ist, sich einer Situation auszusetzen, die überwältigend und schmerzhaft ist, und die Hoffnungen der Menschheit bedroht.
​Es ist vor allem dann schwierig wenn es zu einem Zustand der Hilflosigkeit führt, wenn nicht klar ist, was wir in dieser Situation tun können.

​Deshalb ist es wichtig, dass du dich um dein Leben kümmerst, dich um deine Freunde, deine Gemeinschaft und die Menschen, die du liebst, kümmerst.

​Erinnere dich daran, was dein Leben leitet, und entscheide dann, was diesem Zweck am besten dient.

​Pass auf dich auf, halte dein Herz warm und bleibe in Kontakt.

​Dieser Text ist übrigens ein Ausschnitt aus einem längeren Gespräch, das im frisch erschienenen Integral Being Podcast zu hören ist.

​Wenn du das Gespräch hören magst, klicke hier.​
Der Podcast ist in englischer Sprache.